Die Geschichte der Faltschachtel
Heutzutage kann man sich eine Welt ohne Versandkartons mit Luftpolsterfolie für die Warensendung und Umverpackung kaum noch vorstellen. Selbst die Post hält Unmengen an Pappschachteln und Stülpdeckelkarton als Versandhülsen vor, um alles am Laufen zu halten. Die Faltschachtel mag für uns heute eine Selbstverständlichkeit sein, aber Ende des 19. Jahrhunderts war sie ihrer Zeit weit voraus. Ihre Erfindung resultiert ursprünglich aus einem Produktionsfehler und ist dem amerikanischen Erfinder und Unternehmer Robert Gair zu verdanken.
Am Anfang war die Kiste: Der Vorläufer der heutigen Faltschachtel als schützende Versand-Verpackung war noch bis ins 19. Jahrhundert die Holzkiste. Als Material dafür wurden ungehobelte Bretter mit Metallstiften zu Verpackungen in verschiedenen Größen zusammengenagelt. An Umzugskartons oder Versandtaschen war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht zu denken.
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Ab Anfang des 19. Jahrhunderts kamen zunehmend leichtere Spanschachteln als Transport-Verpackungen in Gebrauch. Sie waren die direkten Vorläufer der Pappschachtel als Transportverpackung. Allerdings gab es bereits seit dem 17. Jahrhundert mühselig in Handarbeit gefertigte Schachteln aus Karton für den Konsum und alltäglichen Gebrauch.
Seit 1867 produzierte der schottische Einwanderer Robert Gair in Dumbo (Down Under the Manhattan Bridge Overpass), einem Wohn-, Industrie- und Gewerbegebiet im New Yorker Stadtteil Brooklyn, auf eigens dafür entwickelten Maschinen Papiertüten zu Verpackungszwecken. Bis zum Ende des amerikanischen Bürgerkriegs 1865 löste Papier die bis dahin typischen Baumwoll- oder Sackleinenverpackungen für Lebensmittel, wie Mehl und Zucker, immer mehr ab. Die knappe Baumwolle wurde für Uniformen gebraucht und die Baumwollplantagen in den Südstaaten litten entweder unter Arbeitskräftemangel oder lieferten (inoffiziell) an den Feind im Norden.
Durch einen Fehler zerschnitt 1879 ein Arbeiter seiner Fabrik 20.000 Papiertüten zur Verpackung von Saatgut. Dieser Verlust regte Robert Gair dazu an, sich Gedanken über ein effektiveres, vorgefertigtes Papierbehältnis zur Verpackung von Lebensmitteln und anderen Waren zu machen. Er entwickelte im selben Jahr ein Verfahren, um Papier bzw. Pappkarton in einem Arbeitsgang maschinell zu Stanzen und zu Rillen und entwarf das erste maschinell produzierbare Faltschachtelmuster. Kurz darauf ließ er sich eine Maschine zur Faltschachtelherstellung patentieren.
Gefaltete Kartons zum Produkttransport gab es damals bereits; diese wurden aber in mühseliger Heimarbeit von Frauenhand geschnitten und gefaltet und waren von daher sehr teuer. Gair begründete mit seinen Erfindungen die Faltschachtelindustrie und leitete mit seinem Lebenswerk eine revolutionäre Entwicklung der Verpackungsindustrie ein. Begleitet wurden diese Erfindungen durch weitere wichtige Patente: Der Amerikaner Albert Jones ließ sich 1871 gewelltes Papier als Schutzmaterial patentieren. Der Ursprung der Wellpappe war geboren. Jones benutzte gewelltes Papier erstmals für Verpackungszwecke, nämlich zum Einwickeln und Versenden von Flaschen und Glasphiolen. Seine Inspiration für das gewellte Papier scheinen textile Rüschen gewesen zu sein, die mittels sogenannter Plissiermaschinen hergestellt wurden. In der Anfangszeit von Wellpappen mussten die großen Kartons noch von Hand verklebt werden. 1879 wird in den USA das maschinelle Schneiden und Stanzen entwickelt und 1895 die erste industrielle Beleimungsmaschine patentiert.
Das Bedürfnis nach geeigneten Verpackungsmitteln für die neu aufkommenden Markenartikel und „Stores“ wuchs um die Jahrhundertwende, dem Zeitalter der industriellen Revolution, enorm. Die Faltschachteln von Robert Gair wurden ein absoluter Renner. Er produzierte u.a. Verpackungen für das Warenhaus Bloomingdales, für Colgate zur Verpackung von Seifen, Waschmitteln, Zahnpulver und Zahnpasta, für Pond`s Schönheitscremes und einige Zigarettenmarken. Doch sein eigentlicher Durchbruch erfolgte 1896 mit der Verpackung der populären „Uneeda Biscuits“ von Nabisco in Faltschachteln. Robert Gair produzierte die ersten zwei Millionen Schachteln für die National Biscuit Company, Cerealien folgten. Die Convenience Abpackung für Konsumenten war geboren. Uneeda war eines der ersten massenhaft erhältlichen Markenprodukte, die sich nicht auf eine Region beschränkten. National Biscuit Co. brachte das erste vorverpackte Biscuit mit dem Slogan auf den Markt "Lest you forget, we say it yet, Uneeda Biscuit." („Damit Sie es nicht vergessen, sagen wir`s nochmal: Uneeda Biscuit“). Eventuell war das die erste millionenschwere Werbekampagne der Welt.
Interessanterweise ist gerade die ständige unmittelbare Wiederholung des Markennamens immer stärker in der heutigen Werbewelt zu finden – typisches Beispiel “Seitenbacher-Müsli”. Die Verpackung kleiner Mengen erfolgte ab jetzt nicht mehr in den „Stores“ aus großen Säcken oder Behältern heraus, sondern bereits im Werk beim Hersteller. Doch es waren nicht unbedingt die Verpackungsgröße oder die maschinelle Verpackungsgeschwindigkeit, die den Siegeszug der Faltschachteln entscheidend förderte. Für die Hersteller war es vor allem die Möglichkeit, alle sechs Seiten der Faltschachtel mit Werbung zu bedrucken! Mit Werbung auf den Verpackungen, Anzeigen in Magazinen und Promotion auf großen Werbeflächen übernahmen die Hersteller die Kontrolle über den Markt, nicht der Händler. Süßigkeiten, Zigaretten und Cracker gab es jetzt am POS nicht mehr in ungelabelten Dosen, sondern in bedruckten Faltschachteln, attraktiven Warenregalen und kreativen Store-Displays.
Bis zu seinem Lebensende vervollkommnete Robert Gair nicht nur „seine“ Faltschachteln, sondern beschäftigte sich mit dem lithografischen Prozess des Aufdrucks von Werbung. Seine Erfindungen wurden in England von E.S. & A. Robinson, einem langjährigen Geschäftspartner, übernommen und verbreiteten sich über das britische Empire hinaus, schnell in der ganzen Welt. Robert Gair starb 1927 als reicher Mann und hat mit seinen Erfindungen die Welt der Verpackungen, des Konsums und der Werbung komplett revolutioniert. Mit der Versandschachtel aus Vollpappe und mit der Erfindung der Wellpappe wurde die Geschichte der Versandverpackung entscheidend geprägt. Ihre guten Materialeigenschaften, ihr Schutzfaktor, das geringe Eigengewicht und nicht zuletzt ihre Vielseitigkeit haben Faltschachteln schon bald zum Material Nr. 1 für den Versand gemacht – und sie sind es bis heute geblieben.
Faszination Faltschachteln
Ohne zu übertreiben, kann man behaupten: Ohne industriell gefertigte Faltschachteln würde es den heutigen Warenverkehr, und damit unsere Konsumgesellschaft, überhaupt nicht geben. Faltschachteln sind massenhaft verfügbar. Faltschachteln sind einfache, preiswerte Verpackungsmittel aus Karton, Wellpappe oder Folie, die platzsparend zusammengelegt an den jeweiligen Verpacker geschickt und dort manuell oder maschinell aufgerichtet und mit einem Produkt gefüllt werden. Und Faltschachteln lassen sich gut mit anderen Verpackungsmitteln kombinieren. An dem Prinzip der „Faltschachtel“ ist nichts kompliziert; spektakulär ist jedoch, mit welcher Effizienz Faltschachteln, trotz ihres einfachen Aufbaus, mehrere primäre Verpackungsfunktionen gleichzeitig erfüllen können.
Aus Sicht der Produktverpackung sind Faltschachteln universelle Alleskönner: Sie schützen die verpackte Ware, man kann sie gut stapeln und transportieren, auf allen Seiten beschriften und ihre Oberfläche ist ein perfekter Werbeträger. Genau die Kombination dieser Eigenschaften ist es, die Faltschachteln für die Fachleute der Grafischen- und Verpackungsindustrie so faszinierend machen.
„Gut verpackt, ist halb verkauft“: Aus Sicht der Verbraucher bilden der Inhalt der Faltschachtel und der äußere visuelle und haptische Auftritt eine untrennbare Einheit. Nicht die Ware ist das Produkt, sondern Ware und Faltschachtel zusammen bilden eine Produkteinheit. Zuerst wird beim Kauf die Verpackung wahrgenommen, sie bietet eine Orientierung im Warenangebot und beeinflusst, neben anderen wichtigen Faktoren, die Kaufentscheidung am POS.
Auch die Umweltfreundlichkeit eines Produktes wird nach seiner Verpackung beurteilt, und eine Faltschachtel aus Karton oder Wellpappe ist nun mal umweltfreundlicher als eine Verpackung aus Plastik, Weißblech oder Aluminium. Ein Großteil der in Deutschland hergestellten Faltschachteln stammt aus Altpapier und Holz, welches beim Ausdünnen europäischer Wälder anfällt. Faltschachteln können flächendeckend gut recycelt werden.
Last but not least gibt es kaum ein zweites Druckprodukt, welches einem dermaßen aufwendigen Veredelungsprozess unterworfen wird, wie die Faltschachtel. Produktdesigner und Mediengestalter entwerfen immer neue Formen und Motive, um die emotionalen Einflussfaktoren von Faltschachtel-Verpackungen auf die Kaufentscheidung zu optimieren. Ihre Aufgabe ist es, auch die Emotion mit dem faktischen Informationsgehalt zu verbinden. Wettbewerbe, wie der Deutscher Verpackungspreis oder der ProCarton/ECMA Carton Award, zeugen jährlich von der unendlichen Kreativität und dem Einfallsreichtum der Verpackungsbranche und lassen den Druckfachmann staunen, was da alles so geht.